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Gastfreundschaft als Atmosphäre der Aufmerksamkeit und Herzlichkeit erleben und die Chance, in Stiften und Klöstern Zeiten und Orte der Stille zu entdecken.
Das Benediktinerstift Göttweig am Göttweiger Berg bietet Raum zum Aufatmen und Neu-Werden.
„An Gästen soll es im Kloster nie fehlen.“ Dieses Wort aus dem 53. Kapitel der Benediktusregel findet sich auch in der Begrüßungsmappe unserer neu adaptierten Zimmer im Gästehaus an oberster Stelle. Es drückt in unmissverständlicher Sprache aus, dass Gäste bei uns willkommen sind. Die sprichwörtliche benediktinische Gastfreundschaft hat in unseren Klöstern eine uralte Tradition. Die Gäste machen unser Leben reich; sie machen unser Leben bunt. Umgekehrt nehmen viele Gäste von unserer Art und Weise, wie wir leben, so manches mit in ihren Alltag.
Es ist schon einige Jahre her, da hat einer unserer Gäste, beeindruckt von der täglichen Tischkultur unseres Konvents beim Tischgespräch gemeint: „Ihr wisst gar nicht, was ihr euch bewahrt habt!“ Nicht jeder Gast erlebt uns so hautnah, aber es sind auch nicht wenige, die als Hausgäste die Möglichkeit haben, ein wenig hinter die Kulissen des Klosteralltags zu schauen.
Aus dem Kapitel, in dem der heilige Benedikt den Umgang mit den Gästen ordnet, können wir einige Prinzipien erkennen, die bis heute wegweisende Bedeutung und Praxis haben. Unserem Ordensgründer ist es wichtig, dass einem Gast mit größtem Respekt und Ehrfurcht in einer Atmosphäre der Aufmerksamkeit und Herzlichkeit begegnet wird. Da geht es ihm nicht um „angelernte Höflichkeit“, wie wir sie so oft im touristischen Bereich antreffen, sondern um eine Motivation, die aus dem Glauben kommt und die das Matthäusevangelium so formuliert: „Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen.“
Es ist Benedikt aber auch ein großes Anliegen, dass der Gast nicht nur materiell umsorgt, sondern auch spirituell erreicht wird: „Man lese dem Gast die Weisung Gottes vor, um ihn im Glauben zu erbauen.“ Gemeint ist damit die Heilige Schrift, die Bibel. Daher sind alle unsere Gäste jederzeit eingeladen, an unseren Gebeten und Gottesdiensten teilzunehmen – aufgrund der aktuellen Lage leider mit etwas Abstand. Aber das macht gerade einen Gastaufenthalt in einem Kloster zu etwas ganz Besonderem, das in keinem Hotel oder sonstigem Beherbergungsbetrieb angeboten wird.
Etwas, das zum Leben von uns Mönchen gehört, sind die Zeiten und Orte der vereinbarten Stille, die unseren Alltag prägen. Wer einmal den Schatz der Stille entdeckt hat als spirituellen Raum zum Aufatmen und Neu-Werden, wird verstehen, dass wir unseren Gästen zu dieser Erfahrung auch eine Tür öffnen wollen. Der moderne Mensch, der akustisch und visuell überfrachtet ist, findet in unserem Gastbereich und an vielen anderen Orten unserer Stiftsanlage die Möglichkeit, wirklich still zu werden, in sich hineinzuhorchen und das eigene Leben zu überdenken. Aber es braucht Mut zur Stille. Die Stille birgt auch die Chance in sich, (wieder einmal?) auf Gott zu hören und seine Stimme zu vernehmen. Stille – das ist Wellness pur!
Abt Columban Luser OSB
Quelle: Göttweiger 2/2020
Zeitschrift des Stiftes Göttweig